Ergänzend zum Artikel in der Grünen Zeitung vom 23.5.2024 hier alle vier Beiträge: Was haben wir von der EU und warum soll man zur Wahl am 9. Juni gehen? Erfolge werden gerne übersehen, oft wird genörgelt. Wir haben uns umgehört.
Alle haben profitiert
Vor dem EU-Beitritt war schon der Export nach Deutschland kompliziert, meint Fred Loimer vom gleichnamigen Weingut. Heute liefert er in zahlreiche Länder in und außerhalb der EU. Ein Markt von 8 Millionen hat eben nicht die Kaufkraft wie einer mit 450 Millionen.
Nationalstaatliche Grenzen sind für Fred Loimer längst überholt. Letztlich haben alle profitiert, nur wissen es mache nicht – oder wollen es nicht wissen. Klar gibt es auch Kritik an der EU: Die Überregulierung und eine gewisse Amerikanisierung bei Haftungsfragen. Verbesserungen sind immer möglich, doch darf deshalb die EU nicht in Frage gestellt werden.
Europa ohne EU? Undenkbar!
Alwin Jurtschitsch war beim EU-Beitritt Österreichs 1995 noch sehr jung. Reisen, Studium im Ausland – alles völlig unproblematisch. Er exportiert Wein in die ganze EU, woher auch viele seiner Mitarbeiter kommen.
Galt vor 1989 ein Beitritt Österreichs zur damaligen „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWG) als unrealistisch, so ist für jüngere, die nach dem Fall der Berliner Mauer geboren wurden, eine Welt ohne EU unvorstellbar.
In meinem Kopf gibt es keine Grenzen, meint Alwin. Wenn wir nur im Kamptal sitzen und den Wein des Nachbarn verkosten, würden wir nicht weit kommen. Nach dem Brexit hat man gesehen, wie schwierig alles wird: Eine Lieferung, die vorher zehn Tage dauerte, braucht nun drei Wochen. Die EU ist stets in Verbindung mit der Währungsunion zu sehen. Bevor ich zum Schilling zurückkehre hätte ich lieber Bitcoin, meint er ironisch.
Probleme wie der Klimawandel sind national nicht lösbar. Auch bei der Zuwanderung braucht es EU-weite Lösungen. Tritt Europa nicht geeint auf, können wir uns in der Welt nicht behaupten. Ich fühle mich sicher in der EU – auch im neutralen Österreich.
Die ARCHE NOAH und der Green Deal
Die ökologischen und gesellschaftspolitischen Themen können in Österreich allein nicht gelöst werden, ist Bernd Kajtna von der Arche Noah überzeugt. Das gilt für das Artensterben, die Biodiversität und die Erderwärmung.
Der „Green Deal“ soll nach der EU-Wahl weiterentwickelt werden. Eine „vielfaltsfreundliche“ Agrarpolitik kann dazu beitragen, dass die Landwirtschaft bunter wird und robuster gegen Wetterkapriolen und Preis-Schwankungen.
Ein Beispiel ist das neue Saatgutgesetz, das in der nächsten Periode fertig gestellt wird. Wir brauchen ein Gesetz, das die legale Weitergabe von vielfältigem Saatgut ermöglicht, die biologische Kulturpflanzenvielfalt fördert, die Rechte der Bäuerinnen und Bauern respektiert und die Grundlage für ein nachhaltiges, widerstandsfähiges und vielfältiges Lebensmittelsystem schafft.
Europa – Lichtjahre voraus!
Die EWG war zuerst ein Friedensprojekt, entwickelte sich dann aber zu einer Wirtschaftsgemeinschaft mit Abschaffung von Zöllen und wirtschaftlichen Harmonisierungen bis zur heutigen politischen Gemeinschaft, erklärt der Wirtschaftsfachmann Erich Schreiner, einst Mitglied im „Wirtschaftsausschuss“ des EU-Parlaments.
Die politische Gemeinschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Es fehlt ein Europäischer Außenminister, eine gemeinsame Verteidigungsstrategie, eine Europäische Sozialunion – und oft der politische Wille, Kompetenzen an die EU abzutreten. Die einen wollen eine stärkere Zentralisierung und Harmonisierung auf allen Politbereichen. Andere plädieren für Regelungen, wonach Kompetenzen, die der Nationalstaat besser kann als die EU, dem Nationalstaat vorbehalten sein sollen (Subsidiarität).
Positiv ist die gemeinsame Währung. Das lästige Wechseln von Bargeld bei Reisen quer durch Europa fällt weg. Der Euro hat sich auch in Wirtschaftskrisen bewährt.
Der „Schengen-Vertrag“ bedeutet den Wegfall langwieriger Grenzkontrollen, die immense Kosten durch Stehzeiten verursachten. Schengen steht für die europäischen Idee „freie Fahrt dem freien Bürger“.
Die Struktur der EU ist anderen supranationalen Gemeinschaften (z.B. NAFTA) um Lichtjahre voraus. Die EU lebt vom Kompromiss, den man nicht überkritisch sehen sollte, da er ein Handwerkszeug der EU-Politik darstellt.
Die EU-Wahl ist ein Herzstück lebendiger Demokratie. Viele Menschen würden sich glücklich schätzen, so ein Wahlrecht zu haben. Wir sollten dies als aufrechte Europäer:innen nutzen!